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Das zweite Mal innerhalb eines Jahres ist mir jeder Wille zur politischen Auseinandersetzung abhanden gekommen. Wieder hat dieser Zustand Monate angehalten. Auch die Ausgangssituation war ähnlich: Einen Höhepunkt der eigenen Beschäftigung erreicht, ist alles zu viel geworden. Die Widersprüche, die sich aus der Beschäftigung mit gesellschaftlichen Problemen und dem eigenen Alltag ergeben, waren nicht mehr auszuhalten. Die Erkenntnisse haben sich zu sehr auf die allgemeine Grundstimmung ausgewirkt, und das – wie soll es beim Zustand der Welt anders sein – nicht auf besonders aufbauende Weise. Auf der einen Seite baut man ein manifestes Verständnis für die Missstände der Welt auf und verknüpft diese mit den Herrschaftsmechanismen der Gegenwart. Auf der anderen Seite gibt man sich diesen – trotz besseren Wissens – hin, eben weil sie in dem, was sie bezwecken wollen, so effektiv sind. Insbesondere der wiederkehrende Charakter dieser Erfahrung wirft die Frage auf, wie sie als solche verhindert werden kann. Wie kann man sich davor schützen, dass die Auseinandersetzung mit den Missständen der Welt zu sehr zum Filter für die Erfahrung des eigenen Alltags wird?

Auf den ersten Blick mag die Antwort auf der Hand liegen: Es muss in irgendeiner Form um die richtige Abgrenzung gehen. Für einige Themen mag das funktionieren, doch was ist, wenn der Kern dessen, mit dem man sich beschäftigt, an die Substanz des eigenen Alltags geht? Wenn er Fragen aufwirft, mit denen man tagtäglich konfrontiert ist und Erfahrungen fokussiert, das eigene Sein fortlaufend prägen? Über das ganze letzte Jahr verteilt habe ich gelernt, dass die Auseinandersetzung mit Themen, die auf diese Weise im eigenen Alltag verankert sind und in diesen eingreifen, das höchste Potenzial haben, die Ergebnisse der eigenen Anstrengungen anzuerkennen. Ermöglichen sie doch den stetigen Abgleich mit den eigenen Erfahrungen. Durch diese Verankerungen bergen diese Themen jedoch auch die größte Gefahr: Die fortlaufende Konfrontation mit dem systematischen Charakter der Zustände, die das eigene Leben in seiner Freiheit beschränken, hat das Potenzial, fatalistisch überzuschlagen und einen gelähmt zurückzulassen. Roberto Bolaño hat qualitativ hochwertiges Schreiben wie folgt beschrieben: Es ist das, „was es immer gewesen ist: den Kopf ins Finstere stecken zu können, ins Leere springen zu können, das Wissen darum, dass es sich bei Literatur um etwas Gefährliches handelt.“ Gleiches gilt für die qualitativ hochwertige Beschäftigung mit gesellschaftlichen Missständen. Sie wird ermöglicht durch das dort Hinschauen-Können, wo es weh tut. Eben das schreibt ihr allerdings auch ihren gefährlichen Charakter ein.

Hätte ich eine Idee, wie dieser Charakter gebändigt werden könnte, hätte ich all das nicht schreiben müssen. So bleibt diese Grundfrage für mich bestehen, wenn ich mich jetzt langsam für einen neuen Zyklus bereit mache.

Minoritäre Modi des Zeitverbringens

„What must capital always do? Capital must always – if you go back to Marcuse – must prevent that awareness amongst people that they could live differently and have more control over their own lives. It must prevent that. It has to do it, and has to keep doing it. Capitalists moan about hard work – and it is hard work! It never stops. It always has to keep preventing that potential.”1

Die harte Arbeit, die Mark Fisher hier beschreibt, ist die Grundlage der Stabilität des Gesellschaftssystems, wie wir es kennen – der kapitalistischen Produktionsweise. Verhindert werden soll im Wesentlichen eine bestimmte, moderne Form dessen, was bereits von Marx als Grundlage für gesellschaftliche Veränderungen herausgearbeitet wurde: des Klassenbewusstseins. Wirft man einen Blick darauf, wie energisch versucht wird diesem Bewusstsein entgegenzuarbeiten, wird schnell klar, wie sehr sich das herrschende System tatsächlich vor dessen Herausbildung fürchtet und wie real sein Potenzial ist.

Die Ressource, die es für das Kapital vor diesem Hintergrund zu kontrollieren gilt, ist die Lebenszeit der Menschen. Nichts entsteht und wird zu etwas, wenn sich nicht damit beschäftigt, keine Zeit darauf verbracht wird. Das Kapital weiß das und handelt entsprechend. In seiner Vorlesungsreihe zur Strafgesellschaft stellt Michel Foucault heraus, wie diese Ressource kontrolliert und damit das Risiko gesellschaftlichen Wandels minimiert werden kann: Die zu lösende Aufgabe besteht darin, die Lebenszeit der Menschen in Arbeitskraft zu verwandeln.2 Alles muss dem Produktionsprozess unterworfen werden. Hieraus resultiert die von Fisher beschriebene „harte Arbeit” über die sich „Kapitalisten“ fortlaufend beschweren.

Folgt man Foucault, ist die Umwandlung der Lebenszeit der Menschen in Arbeitskraft keine Garantierung der Produktionsweise, sondern vielmehr konstitutive Notwendigkeit. Es gibt keinen Weg daran vorbei. Bereits seit der Geburt der kapitalistischen Produktionsweise wurde die gesamte Lebenszeit der Menschen in den Blick genommen und sollte kontrolliert werden. Der Zugriff hat sich im Laufe der Zeit allerdings immer weiter verfeinert und ist effektiver geworden. So war die sog. „Freizeit” der Menschen lange noch nicht in der Form unter Beschlag, wie sie es heutzutage ist. An anderer Stelle habe ich diese Ausweitung ausführlicher behandelt. Im Fokus dieses Beitrages steht der Anspruch, der Enteignung von der eigenen Lebenszeit etwas entgegenzusetzen, denn schließlich sind „[d]ie Zeit und das Leben der Menschen […] nicht von Natur aus Arbeit, sie sind Vergnügen, Diskontinuität, Feiern, Ausruhen, Bedürftigkeit, Momente, Zufall, Gewalt etc.”3 Meine Antwort auf das Problem sind die minoritären Modi des Zeitverbringens.

Die Konzeption dieser Modi ist nicht einfach, da sie immer von konkreten Umständen und Situationen abhängig sind. Klare Definitionen und trennscharfe Abgrenzungen zu anderen nicht-minoritären Modi sind nur begrenzt möglich. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die Dichotomie von Majorität und Minorität nicht existiert. Beide stehen immer miteinander im Verhältnis und bedingen sich gegenseitig. Anhand dreier Merkmale kann dennoch ein konzeptioneller Rahmen entworfen werden. Die Merkmale sind für minoritäre Modi des Zeitverbringens entscheidend, nicht aber abschließend. Es sind die folgenden:

  1. Minoritäre Modi des Zeitverbringens orientieren sich an majoritären Zuständen. Sie entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern durch das Gefühl der Einengung, das durch eben jene majoritären Zustände hervorgerufen wird. Minoritäre Modi zielen auf die Transformation majoritärer Zustände ab.
  2. Die Zeit wird als die eigene begriffen, man eignet sie sich wieder an – auch wenn man dabei nach der Prämisse „as if” handelt.
  3. Das Moment der Affektion spielt eine entscheidende Rolle. Es gibt keine Minorität ohne Affektion – und damit auch keine minoritären Modi des Zeitverbringens

Majoritäre Zustände als Ausgangspunkt: Problematisierung der Normalisierung

Von Kindesbeinen an wird uns beigebracht, wie wir uns in der Gesellschaft zu verhalten haben. Das ist auf der einen Seite notwendig, um am Leben in unserer Gesellschaft teilhaben zu können und den Umgang mit seinen Mitmenschen zu lernen, doch birgt dies immer auch die Gefahr, bestehende Zustände unreflektiert zu reproduzieren. Diese Art der Reproduktion ist für das Kapital entscheidend. Wenn einem fortlaufend erzählt und vorgelebt wird, dass es keine Alternative zur Lohnarbeit und dem Kapitalismus im Allgemeinen gibt, entspricht das der gegenwärtigen gesellschaftlichen Auffassung. Doch was damit passiert, ist, dass diese Verhältnisse als zweite Natur erfahren werden. Eine Veränderung erscheint tatsächlich als unmöglich, da es doch der natürliche Gang der Dinge ist. Eben hierin spiegeln sich die Erträge der harten und beständigen Arbeit des Kapitals wider, das Leben aller Menschen dem Produktionsprozess zu unterwerfen. Neben der Lohnarbeit gibt es noch weitere Beispiele, die von diesem Bestreben zeugen. Foucault führt für die Zeit des 19. Jahrhunderts die Erfindung der Sparkassen und das Auszahlen von Tageslöhnen an. Beides war darauf ausgelegt, die Arbeiter in ihrem Verhalten zu disziplinieren. Sie sollen sparen, sodass sie auch eine kurzzeitige Arbeitslosigkeit und Lohnausfälle überstehen würden und nur so viel Geld besitzen, dass sie nicht mehr damit machen können, als sich grundlegend am Leben zu halten oder – sollte das dafür nicht reichen – Schulden aufnehmen müssen, und so noch stärker an das System ökonomischer Notwendigkeiten gebunden werden. Diese Mechanismen fallen unter das, was er Disziplinarmacht nennt. Zu den Mechanismen und Techniken der Disziplinarmacht sind innerhalb der letzten Jahrzehnte die der Kontrollmacht hinzugekommen.4 Hier drunter fällt alles, was auf Basis von Informationen, Feedback und Algorithmen das Handeln der Menschen flexibel und zielgerichtet konditioniert – und damit die Kontrolle gesellschaftlicher Ströme noch enger strickt. Auch diese Herrschaftsmechanismen haben sich normalisiert und tragen zur Produktion der gewünschten sowie benötigten Subjekte bei, indem die Zeit der Individuen noch umfänglicher als zuvor in Beschlag genommen wird. Der Clou: Allen erscheint das als das Natürlichste der Welt; im Zweifel haben Sie auch noch Spaß dabei.

Sich an diesen majoritär-normalisierten Zuständen zu stoßen und sie als das wahrzunehmen, was sie sind – Repression und Einschränkung – ist der Ausgangspunkt für minoritäre Modi, seine Zeit zu nutzen. Dies kann beispielsweise durch die einem immer wieder aufgezwängte Frage passieren, wie man im kargen Zeitresiduum, das einem in seiner sog. Freizeit zugestanden wird, seine noch nicht ganz verstümmelten Interessen sowie all seine menschlich-sozialen Bedürfnisse unterbekommt. Schnell stößt man dabei an unüberwindbare Grenzen und erfährt das Gefühl des Eingepferchtseins. Das Problem der künstlich produzierten Zeitknappheit drängt sich einem mit Gewalt auf und lässt das Bewusstsein dafür entstehen, wie repressiv das Zeitregime in der gegenwärtigen Gesellschaft ist. Solche Situationen provozieren die Suche nach einem Ausweg. Man versucht zu fliehen und neue Wege zu finden. Das Ziel minoritärer Modi des Zeitverbringens ist es aus dem Gefühl des Eingeengtseins, neue Wege zu betreten und Perspektiven aufzuspannen – immer mit dem Ziel, die majoritäre Normalität zu verändern. Die Ausgestaltung und Form dieser Wege hängt von der konkreten Situation ab und ergibt sich nur aus dieser heraus. Die Problematisierung der Normalisierung ist jedoch immer entscheidend.

Die Zeit als die eigene begreifen

Um zu dieser Problematisierung zu kommen und diese voranzutreiben, muss die Zeit als die eigene begriffen werden. Hiermit stellt man sich der Enteignung durch das Kapital entgegen und unternimmt den Versuch, sich seiner Macht zu entziehen. Insbesondere vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Effektivität der gesellschaftlichen Kontrollmechanismen stellt sich aber unweigerlich die Frage, wie das funktionieren kann. Anhand der seit den 1960er Jahren immer weiter eingeschränkten Sozialleistungen in Großbritannien bringt Fisher die dahinter liegende Schwierigkeit auf den Punkt: „These developments precisely opened up a kind of time that is now increasingly difficult to access: a time temporarily freed from the pressure to pay rent or the mortgage”.5 Die herrschenden Umstände drängen einen dazu, seine Zeit fortlaufend ökonomischen Narrativen und Notwendigkeiten unterordnen zu müssen. Wie es Foucault schreibt, wird eine Vollbeschäftigung angestrebt.6 Die volle Zeit der Arbeiter wird beansprucht: Nicht nur die Zeit auf der Arbeit wird in Beschlag genommen, auch die Freizeit, in der die eigene Arbeitskraft entweder reproduziert oder aufgewertet werden soll. Hierrunter leidet insbesondere die gesellschaftliche Fähigkeit zur sozialen Imagination. Dieser Zustand der Kreativitätslosigkeit ist vom Kapital forciert und steht im Zentrum dessen, was Fisher Capitalist Realism nennt.7 Die Zeit als die eigene zu begreifen, ist unter diesen Bedingungen einfacher gesagt als getan, weil es eben nicht der Fall ist, dass die Zeit tatsächlich die eigene ist – man ist von ihr enteignet. 

Franco „Bifo” Berardi liefert einen Ansatz, wie auf diese Problematik geantwortet werden kann. Im Mittelpunkt steht dabei die Idee des “act as if”. Berardi entwickelt sie vor dem Hintergrund folgender Diagnose: „In the forthcoming future I do not see any predictable form of subjectivation, of resurrection of consciousness and emancipation: the social civilization is over, the Neoliberal precarization of labor and the media dictatorship have destroyed the cultural antibodies that in the past made resistance possible.”8 Angesichts dieser Zustände müsse man ihm zufolge so handeln, als gäbe es dennoch die Möglichkeit, dass es anders wird. Nur aus einer solchen Haltung heraus, könne schließlich überhaupt noch etwas Neues entstehen. In Anlehnung an dieses Muster gilt es, seine Zeit so zu verbringen, als wäre es trotz allem die eigene – nicht bestimmt und konditioniert durch die Instrumente und Herrschaftstechniken der kapitalistischen Produktionsweise. Folgt man dieser Prämisse, schafft man die Möglichkeit, sich beim Verbringen seiner Zeit den oktroyierten ökonomischen Narrativen zu entziehen; sich gegen den zur Realität gewordenen Zustand zur Wehr zu setzen, dass – mit Fishers Worten – Arbeit Wochenenden, Abende und sogar unsere Träume kolonisiert.9

Diese Haltung kostet viel Anstrengung. Insbesondere im Gegensatz zu einem der stärksten und zeitaufwändigsten Narrative der Gegenwart – dem Konsum unterschiedlichster Produkte der (Kultur-)Industrie, egal ob digital oder analog. Anders als dort wird Zeit in minoritären Modi immer aktiv verbracht. Von besonderer Bedeutung ist dabei auch der Einfluss – die Affektion – anderer sowie die selbst auf andere ausgeübte Affektion. Durch diese wird das Minoritärwerden multipliziert.

Das Moment der Affektion

Ohne Affektion gibt es keine Minoritäten und damit auch keine minoritären Modi des Zeitverbringens. Ein genauerer Blick auf den Begriff der Minoritäten erleichtert das Verständnis hierfür. Bei Minoritäten handelt es sich um keine Gruppe bzw. Ansammlung von Dingen und Personen, die zu einer Einheit werden. Sie sind rhizomatisch strukturiert: Jedes Teil bleibt ein Teil für sich, doch verändert sich durch die Verbindung zu anderen Teilen. Ihre der Majorität entgegengesetzte Position macht sie zur Minorität. Beide Begriffe – Minorität und Majorität – werden bei Deleuze qualitativ verstanden: Was sie ausmacht, ist nicht ihre Größe, sondern wie sie in der Gesellschaft verortet sind und sich dort verhalten. Nicholas Thoburn verdeutlicht diesen Punkt, indem er beide als bestimmte treatments of life herausstellt.  Es sind Prozesse, die sich innerhalb einer Gesellschaft vollziehen und Zustände, die vorhanden sind.10

Die Kraft, die Minoritäten innewohnt, geht von der Differenz ihrer Einzelteile aus – sie strebt keine Einheit an: „Minor composition […] is not a synthesis, but an amplification of disjunctions.”11 Nur durch die Verschiedenheit der Einzelteile können Minoritäten überhaupt Wirkung erhalten und entfalten. Jene Wirkung entsteht durch das gegenseitige Aufeinander-Wirken der unterschiedlichen Teile einer Minorität sowie die Auseinandersetzung mit ihrem Außen, der Majorität. Das, was in diesem Zuge passiert, ist ein Sich-gegen-die-Majorität-Ausdruck-Verschaffen. Dabei versucht man weder eine neue Identität zu bilden noch sich größere Anerkennung oder Repräsentation zu erkämpfen; Minoritäten werden durch Fragen angetrieben wie „how are we composed“ und „how do we create“.12 Die kreative Arbeit steht im Fokus. Minoritäten erschaffen sich durch das Zusammenwirken minoritärer Teile und deren gegenseitigen Affektion aus den durch die Majorität geschaffenen Bedingungen der Einengung.

Was bedeutet das nun für minoritäre Modi des Zeitverbringens? Zeit kann nur auf eine dieser Weisen verbracht werden, wenn sie in Zusammenhängen zu etwas Kollektivem steht. Indem man mit anderen in Verbindung tritt und Beziehungen eingeht, verändert man sich selbst sowie seine Außenwelt. Provoziert werden diese Situationen durch ein wie auch immer gelagertes Gefühl der Einengung. Darüber entsteht der Kontakt zu anderen und man tauscht sich mit diesen aus. Der Prozess des Minoritärwerdens umfasst hiermit auch einen Prozess der Bewusstseinsbildung. Durch den Austausch betreibt man das, was weiter oben bereits beschrieben wurde: die Problematisierung der Normalisierung. Dabei ist entscheidend, dass sich die Affektion nicht durch kapitalgetriebene, sondern durch (andere) minoritäre Teile vollzieht, die sich aus Notwendigkeit dem Kapital und der Majorität entziehen. Durch den Austausch entwickelt man ein besseres Verständnis für die gemeinsame Situation. Diese Interaktion läuft drei entscheidenden Elementen moderner Herrschaft zuwider: Der Angst, der Isolation und der Unsicherheit. Alle drei gehören zur alltäglichen Nomenklatur des Neoliberalismus und zielen darauf ab, die Menschen an die Umstände zu binden, wie sie sind. Sie sollen mit sich und nichts anderem beschäftigt sein.

Freilich können minoritäre Modi des Zeitverbringens und die Interaktion mit anderen diese Mechanismen nicht ohne weiteres auflösen, doch schaffen sie den Rahmen dafür, diesen für einen Moment zu entkommen und so die Basis für alles weitere zu schaffen. Dieser Rahmen hält zudem noch ein anderes wichtiges Potenzial bereit: Die Flucht vor der ubiquitär gewordenen Fragmentierung der Zeit und der Aufmerksamkeit, die fortlaufend die eigene Konzentration auflöst. Minoritäre Modi des Zeitverbringens sind ein Mittel gegen die „harressed busyness“13, die kennzeichnend für unsere Zeit ist.

Die Form, die die Interaktion und das In-Beziehung-Treten mit anderen annehmen kann, ist unterschiedlich. Wenn etwas verändert werden soll, ist es zum einen der direkte, persönliche Kontakt mit anderen über die gemeinsame Situation, der entscheidend und ab einem bestimmten Zeitpunkt unumgänglich ist. Auch die Auseinandersetzung mit Texten, Büchern und Beiträgen ist aber elementarer Bestandteil für Prozesse des Minoritärwerdens und minoritärer Modi des Zeitverbringens – halten diese doch Ideen und Reflexionen vergangener Zeiten fest, auf die zurückgegriffen werden kann und muss. 

Zur Notwendigkeit minoritärer Modi des Zeitverbringens

Die drei ausgeführten Merkmale minoritärer Modi des Zeitverbringens liefern einen Orientierungspunkt für den Widerstand gegen die Umstände eines eingekerkerten Lebens und schaffen damit Bewusstsein für eines der, wenn nicht das zentrale Problem der gegenwärtigen Gesellschaft: Die Enteignung der Menschen von ihrer Lebenszeit. Der Anspruch der Konzeption fällt mit der Arbeit an der Wiederbelebung der sozialen Imagination zusammen. All das kann nur mit und durch minoritäre Modi des Zeitverbringens entstehen und weiterentwickelt werden – auf der Basis der hier entwickelten Merkmale gilt es, diese Modi konkret zu gestalten. Klar ist dabei auch, dass es nicht darum geht, sich komplett von der Popkultur und allen anderen majoritären Modi des Zeitverbringens abzuschotten. Es braucht zwischenzeitlich Erholung, Zerstreuung und Ablenkung. Den ökonomischen Zwängen der Gegenwart ist auch nicht einfach zu entfliehen. Ohne neue Impulse wird sich die Gesellschaft allerdings nicht verändern. Es braucht eine Nutzung der Zeit abseits der majoritären Modi, die einzig und allein auf die Reproduktion des Status Quos und der Macht des Kapitals ausgelegt sind. Ein letztes mal Fisher dazu: „If there is to be any kind of future, it will depend on our winning back the uses of time that neoliberalism has sought to close off and make us forget.”14 Dies sind die minoritären Modi des Zeitverbringens – es führt kein Weg an ihnen vorbei. Sie legen die Basis für Strategien, soziale Kräfte neu zu komponieren und Alternativen zur Gegenwart des kapitalistischen Realismus wieder denkbar zu machen.


  1. Fisher, Mark (2021): Postcapitalist desire. The final lectures, London: Repeater, 132. ↩︎
  2. Foucault, Michel (2021): Die Strafgesellschaft. Vorlesungen am Collège de France 1972-1973, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 315. ↩︎
  3. ebd. 316. ↩︎
  4. Ausführlich hierzu: Deleuze, Gilles (1993): Postskriptum über die Kontrollgesellschaft. in: ders., Unterhandlungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 254-262. ↩︎
  5. Fisher, Mark (2012): Time Wars: Towards an Alternative for the Neo-Capitalist Era, Gonzo Circus (110), www.gonzocircus.com/exclusive-essay-time-wars-towards-an-alternative-for-the-neo-capitalist-era ↩︎
  6. Foucault, Die Strafgesellschaft, 290. ↩︎
  7. Fisher, Mark (2009): Capitalist Realism. Is there no alternative? Hampshire: zer0 books. ↩︎
  8. Berardi, Franco (2010): Precariousness, Catastrophe and Challenging the Blackmail of the Imagination. Affinities: A Journal of Radical Theory, Culture, and Action 4 (2), 1-4, hier: 1. ↩︎
  9. Fisher, Time Wars. ↩︎
  10. Thoburn, Nicholas (2003): Deleuze, Marx and Politics. London: Routledge, 6. ↩︎
  11. ebd. 27. ↩︎
  12. ebd. 20. ↩︎
  13. Fisher, Time Wars. ↩︎
  14. ebd. ↩︎

Vom majoritären Sein zum Minoritärwerden

Nahezu ein halbes Jahr stand der Kopf maximal auf Standby. Nur selten hat er Ideen produziert und in noch selteneren Fällen äußere Einflüsse zugelassen und sich affizieren lassen. Während dieser Zeit hat durch die eigene Erfahrung vieles von dem bestätigt, was ich hier zuvor beschrieben habe: Die zerstörerische Anziehung der Unterhaltungsindustrie, die Enteignung der Menschen von ihrer Lebenszeit und das forcierte Herausbilden der Lebensform des Blooms. All diese Herrschaftsinstrumente haben massiven Einfluss ausgeübt und ihre Wirkung entfaltet. Auch das, worauf sie abzielen und hinauslaufen, habe ich erfahren: Die Umstände, wie sie sind, werden immer weiter akzeptiert, das Hinterfragen hört auf und man erliegt dem Alltag. Nichts passiert, alles bleibt beim Alten – das Imperium triumphiert.

Calvino schreibt in seinen unsichtbaren Städten, es gäbe zwei Arten unter der Hölle der Lebenden nicht zu leiden. Bei der einen, akzeptiert man sie, wird eins mit ihr und nimmt sie auf diese Weise nicht mehr wahr. Die zweite Art ist ihm zufolge gewagt und erfordert dauernde Vorsicht und Aufmerksamkeit: Man sucht in der Hölle nach Dingen, die nicht Hölle sind und versucht diesen Raum und Zeit einzuräumen. Diese Auseinandersetzung mit den Umständen der Hölle gehört für mich zu den Dingen, die nicht Hölle sind, ist sie doch darauf ausgerichtet, einen Ausweg zu finden, zu fliehen. Wenn man nicht vorsichtig ist, kann diese Auseinandersetzung allerdings schiefgehen. Ich war nicht vorsichtig genug. Aus dem Willen nicht leiden zu wollen, ist Leid geworden und das Leid wurde mit der ersten Art, nicht zu leiden, betäubt: Der Akzeptanz der Hölle und das wehrlose Aufgeben vor den Imperativen der Gegenwart.

Trotz oder gerade durch besseren Wissens ist es möglich dort zu landen. Die Gründe hängen mit der immanenten Gefahr zusammen, die das Lesen und Schreiben mit sich bringt. Sie rührt daher, dass es dabei immer um die Auseinandersetzung mit den kritikwürdigen Zuständen der Welt geht – sofern man bei beiden Tätigkeiten zumindest einen gewissen Anspruch verfolgt. Auf die Frage, was denn qualitativ hochwertiges Schreiben sei, antwortet Roberto Bolaño in einer seiner Reden wie folgt: “Nun, das, was es immer gewesen ist: den Kopf ins Finstere stecken können, ins Leere springen zu können, das Wissen darum, dass es sich bei Literatur um etwas Gefährliches handelt.” Schaut man sich sein Buch 2666 an, versteht man, was er mit “den Kopf ins Finstere stecken” meint. Nicht immer müssen es aber so offensichtliche Abgründe der Menschheit sein und nicht nur beim Schreiben selbst wird der Kopf ins Finstere gesteckt: Wenn der Kopf beim Schreiben ins Finstere gesteckt wurde, kommen auch die Leser nicht drumherum, den Kopf ähnlich tief ins Finstere zu stecken. Die Gefahr des Lesens und Schreibens hängt eng mit ihrem progressiven Potenzial zusammen: Der Möglichkeit affiziert zu werden und sich in diesem Prozess zu verändern. Die Fluchtlinie kann zur Zerstörungslinie werden, wie Deleuze schreibt.

Für mich ist diese Gefahr in der Auseinandersetzung mit Foucaults Vorlesungsreihe der Strafgesellschaft kulminiert. Dort ist es zu viel geworden und die entstandenen Gedanken haben schlussendlich zur Abwehrreaktion geführt und monatelangen intellektuellen Stillstand provoziert. Die Erkenntnisse waren nicht mehr auszuhalten, weil sie zu stark auf den tatsächlich und täglich erlebten Alltag gepasst haben. Einfache Lösungen oder Antworten für das maßgebliche Problem waren und sind nicht vorhanden. Konkret ging es um die Einsicht, wie strukturell das Problem der Enteignung der Menschen von ihrer Lebenszeit ist. Es ist eine der wesentlichen Herrschaftsinstrumente der gegenwärtigen Ordnung und nur die Wenigsten stellen das – so wie es schließlich vom herrschenden System gewollt ist – qualitativ infrage. Die Knochenmühle der Lohnarbeit mahlt und das wird akzeptiert, weil es eben von allen anderen auch akzeptiert wird – es erscheint normal, nicht über die eigene Zeit bestimmen zu können. Die Erkenntnis wurde zu Frust, der mit der ganzen Palette der unendlichen Unterhaltungsindustrie betäubt wurde – Narkose im Kilopack.

Hat man es anders gelernt und bereits einige Zeit mit der zweiten Art, in der Hölle der Lebenden nicht zu leiden, verbracht, dann meldet sich der eigene Kopf aber doch irgendwann zurück – gerade auch weil einem bewusst ist, wie wenig das Akzeptieren der Hölle tatsächlich zum eigenen Wohlbefinden beiträgt. Nach langem Kampf schafft man es sich aufzuraffen und zu sagen: Bis hierhin und nicht weiter. Dieser Punkt ist bei mir erreicht, ich muss wieder mehr dafür tun, die Umstände, wie sie sind, nicht widerspruchslos zu akzeptieren. Das mindeste bleibt weiterhin an seinem Bewusstsein über eben jene Zustände und für die eigene Position darin zu arbeiten. Der nächste Schritt muss der des Affizierens sein, die Dinge nicht nur mit sich auszumachen, sondern zu versuchen, auch andere in ein Werden zu versetzen – ein Minoritärwerden anzutreiben. Das soll stärker in den Fokus rücken – genug majoritäres Sein. Entscheidender Ausgangspunkt sind dafür minoritäre Modi, seine Zeit zu verbringen. Um diese ausführen zu können, ist die Basis für mich nun mit diesem Beitrag wieder gelegt.

Privatisierung von Stress als systemimmanenter Coping-Mechanismus und Marketingmaßnahme

Bereits in seinem 2009 erschienenen Buch Capitalist Realism beschreibt Mark Fisher eine globale Krise der mentalen Gesundheit. Die Fallzahlen der an Depressionen Erkrankten steigt fortwährend an. Fisher hat den systematischen Charakter dieser Entwicklung herausgestellt. Prekäre und fragile Lebensbedingungen in einer Welt, in der einem fortlaufend eingeredet wird, das, was man macht, sei nie genug, weil es immer Menschen gibt, die mehr schaffen als man selbst, sind fruchtbarer Nährboden für mentale Probleme und Krankheiten. Der stetige Konkurrenzkampf auf unterschiedlichsten Märkten nötigt einen dazu, sich keine Ruhe nehmen zu können. Jede Zeit, die man nicht damit verbringt, sich selbst zu verkaufen ist verlorene Zeit wie Fisher an anderer Stelle eines der zentralen Dikta der gegenwärtigen Gesellschaft zusammenfasst. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt, die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, die prekären Arbeitsbedingungen, die durch befristete Verträge und miserable Bezahlung geprägt sind — all das sind politische Themen. Der Stress, der von diesen Umständen provoziert wird und die Häufung psychischer Krankheiten bedingt, wird allerdings nicht als politisches Thema begriffen: Es ist der Stress jedes Einzelnen, jedes Individuums selbst. Der Stress wird privatisiert.

Du schaffst es nicht damit umzugehen? Schade, alle anderen schaffen es aber, es muss wohl an dir liegen. Dass die Reaktion des Systems auf die mentale Gesundheitskrise vorrangig so aussieht, hat   systematische Gründe: Die große Erzählung des Neoliberalismus ist ja, er sei das effizienteste System, das es je gegeben hat und geben wird. Die daraus resultierende Haltung, es gebe keine Alternative zum gegenwärtigen System, sitzt seit der Geburt dieser Phrase zu Beginn der 1980er Jahre, fest im kollektiven Bewusstsein. Dieses von Effizienz getriebene Selbstbild verunmöglicht es, die gesellschaftlichen Gründe der mentalen Gesundheitskrise mit den gesellschaftlichen Bedingungen in Verbindung zu setzen. Die ansteigenden Fallzahlen psychischer Krankheiten werden nicht mit der Produktionsweise des Neoliberalismus zusammengedacht — wahrgenommen wird der Anstieg aber dennoch: Die Krankheiten betrachtet man dabei allerdings lediglich als biologische Tatsache, als Dysbalance bei biochemischen Prozessen im Gehirn der Betroffenen. Stress gilt als normales Phänomen der Gegenwart, gehört zum Leben dazu und dementsprechend ist der Umgang mit ihm zu lernen. Denjenigen, denen eine Diagnose gestellt wurde, soll aber natürlich geholfen werden. Im Fokus steht dabei aber immer nur ein individueller Ansatz. Die Privatisierung von Stress ist der systemimmanente Copingmechanismus des Neoliberalismus für ein selbst erschaffenes Problem, das als solches nicht anerkannt werden kann, denn mit dieser Anerkennung würde er seine zentrale Selbstbeschreibung als effizientestes System überhaupt angreifen — und welches effizienzgetriebene System würde zugeben, seine eigene Basis — die Arbeitskraft der Menschen — zu zerstören?

Das Problem der mentalen Gesundheitskrise wird, wie bereits geschrieben, aber dennoch in Form der faktischen Anerkennung der steigenden Fallzahlen von Betroffenen wahrgenommen. Die Betroffenen werden nicht aus den Augen verloren, sie werden mit den Konsequenzen der gesellschaftlichen und politischen Bedingungen nicht alleine gelassen. Die Reaktion auf das Problem nimmt dabei die typischen Formen des herrschenden Systems an: Die Kapitalisierung und die Kommerzialisierung. Eine erste Ebene dieses Prozesses ist in der Behandlung von Depressionen mit Anti-Depressiva und dem damit verbundenen Markt zu sehen: “Capital makes the worker ill, and then multinational pharmaceutical companies sell them drugs to make them better.” (1) Ein genauerer Blick soll auf eine zweite Ebene geworfen werden, die insbesondere innerhalb der letzten Jahre immer größer geworden ist: Die Kommerzialisierungsstrategien, die unter dem Label “Self-Care” zusammengefasst werden können. Insbesondere auf Social Media ist die eigene mentale Gesundheit immer häufiger Thema. Auch hier ist die mentale Gesundheitskrise angekommen. Es ist dabei insbesondere die Art, wie darüber gesprochen wird, die fragwürdig erscheinen lässt, ob es sich dabei wirklich um eine gute Entwicklung handelt.

Im Wesentlichen gibt es dabei zwei Stufen: Die erste Stufe hat vorrangig präventiven Charakter. Es geht darum, mehr auf sich zu achten, sich Auszeiten vom stressigen Alltag zu nehmen und sich etwas Gutes zu tun. Und sich etwas Gutes zu tun, funktioniert der online angepriesenen Version nach zufolge am besten, wenn sich irgendein neues Produkt “gegönnt” wird. Sei es eine neue Creme, ein ungesunder Snack oder ein Tag in der Sauna. Das alles lässt sich ideal bewerben. Influencer legen einem nahe, doch mehr auf sich zu achten und immer wieder auch etwas für das eigene Wohlbefinden zu tun. Unterstützt wird das, wie soll es auch anders sein, am besten durch die von ihnen beworbenen Produkte. So wird das reale Problem der Privatisierung von Stress für eine neue ergiebige Marketingstrategie genutzt, die das Leiden der Menschen ausbeutet — das Leiden, das von den gesellschaftlichen Umständen selbst produziert wird. Self care soll dabei helfen mit diesem Leiden besser klarzukommen, trägt dabei aber vorrangig zur Kapitalreproduktion bei.

Auf der zweiten Stufe geht es anschließend nicht mehr um Prävention. Hier steht der Umgang mit dem eigenen Stress, vorhandener mentaler Belastung und psychischer Krankheiten im Fokus. Das Vorhandensein von all jenem wird anerkannt und thematisiert. Vermehrt berichten sog. Content Creator und Influencer von ihren Erfahrungen und in Kommentarspalten oder Foren tauscht man sich über die eigenen Situationen aus. In vielen dieser Fälle unterstützt man sich gegenseitig durch gutes Zureden und das Aufbringen von Verständnis. Die mentale Gesundheitskrise findet über diese Wege steigende Aufmerksamkeit auch in der breiteren Öffentlichkeit. Das, was auf den ersten Blick als Grundlage für Lösungsversuche der mentalen Gesundheitskrise aussieht — eben das Anerkennen und sich Austauschen — läuft in ihrer öffentlichkeitswirksamen Form allerdings Gefahr, die Krise nicht zu entschärfen, sondern vielmehr zu verstetigen. Das liegt insbesondere daran, wie über die eigene bzw. die Situation von anderen gesprochen wird. Problematisch ist dabei, dass der gesamte Austausch losgelöst von den Ursachen stattfindet, diese werden vielleicht erwähnt aber nicht als solche in ihrer Gegebenheit hinterfragt. Wenn Menschen unter diesen Umständen von ihren mentalen, auf Stress basierenden Problemen erzählen, dann kann Onlinezuspruch im Einzelfall ggf. hilfreich sein, doch die zugrunde liegenden Probleme – die gesellschaftlichen Strukturen, die Stress produzieren und die Privatisierung eben jenes Stresses — bleiben unberührt. Das, was sich hiermit vollzieht ist eine fortschreitende Normalisierung der Probleme ohne jede Lösungsambition: Die Thematisierung mentaler Probleme und psychischen Stresses wird immer alltäglicher, man sieht, wie es vielen ähnlich geht und doch versteht man die Situation immer nur als eine individuelle. Stress erscheint als natürliches Phänomen, das zum Leben in der Gesellschaft dazugehört – so wie es von den herrschenden Umständen gewollt ist. Entgegen dieser Normalisierung würde es vielmehr eine Politisierung der Probleme brauchen, wie Fisher zeit seines Lebens fortlaufend betont hat. Nur wenn die Privatisierung von Stress und die aus ihr hervorgehenden Konsequenzen als politische Probleme begriffen werden, dann besteht die Grundlage dafür, der mentalen Gesundheitskrise entgegenzuwirken.  

Das Ziel von verbesserter mentaler Gesundheit ist dabei offenkundig nicht, die Produktionsbedingungen für den Neoliberalismus zu verbessern, indem alle wieder leistungsfähiger sind. Die Gründe für die mentale Gesundheitskrise sind tief in diesen Produktionsbedingungen verwurzelt. Die allgemeine mentale Gesundheit kann nur mit umfassenden gesellschaftlichen Veränderungen verbessert werden und eben darum geht es. Bewusstsein dafür zu schaffen, dass mentale Gesundheit ein politisches Thema ist, ist ein erster wichtiger Schritt auf diesem Weg. Den Mechanismus der Privatisierung von Stress in seiner Funktion herauszustellen ebenfalls. Hiermit wird ein Schlaglicht auf einen der vielen Widersprüche des herrschenden Systems geworfen, die allesamt verdeutlichen, es gibt Alternativen zum Status Quo. Zentral hierfür ist ein neues Verständnis und Verhältnis zum Begriff des Kollektiven.


(1) Fisher, Mark (2011). The privatisation of stress. Soundings, 48(48), 123-133.

Repression der Zeit

Der Zusammenhang, der von Foucault in der vierten und fünften Vorlesung seiner Strafgesellschafts-Reihe aufgemacht wird, sagt viel über den grundlegenden Charakter der modernen Gesellschaft aus. Foucault interessiert sich in dieser Vorlesungsreihe für die Entstehung des Gefängnisses. In den angesprochenen Sitzungen geht er der Frage nach, inwiefern das Gefängnis überhaupt als Strafe verstanden werden kann. Die Antwort überrascht nicht: Es ist die Zeit, die dem Inhaftierten genommen wird, durch die das Gefängnis zur Strafe wird; für sein Verbrechen bezahlt er mit seiner Lebenszeit. So gesehen wird die Lebenszeit der Menschen zur Tauschware. Sollte das bekannt verkommen, täuscht der Eindruck nicht. Diese Idee ist nichts, was erst mit der Geburt des Gefängnisses aufkommt. Bekannt ist sie aus dem Prinzip der Lohnarbeit. Die Lebenszeit der Menschen wird dort gegen Lohn abgekauft – oder eher, die Menschen bezahlen mit ihrer Lebenszeit den Lohn, der für ihr Überleben notwendig ist. Wie Foucault ausführt, wurde dieses Prinzip zusammen mit dem damit einhergehenden Zeitverständnis auf das Gefängnis übertragen. Dieser Zusammenhang zwischen Lohn- und Gefängnis-Form lässt einen, wenn nicht den zentralen Charakterzug moderne Herrschaft hervortreten.

Enteignung der Lebenszeit als Herrschaftsinstrument

Auch wenn Foucault bereits für die Zeit um 1800 herausgestellt hat, wie systematisch dieser Zusammenhang zwischen Lohn- und Gefängnis-Form ist, der durch den Zugriff der Macht auf die Lebenszeit der Menschen gekennzeichnet ist, muss für die heutige Zeit festgehalten werden, dass er sich im Laufe der Jahre noch erheblich intensiviert hat. Dieser Zugriff der Macht, der nichts anderes als Repression bedeutet, zählt heute zu den wesentlichsten Herrschaftsinstrumente des kapitalistischen Systems. Mit der Enteignung der Lebenszeit wird effektiv und effizient zugleich dazu beigetragen, dass die Verhältnisse so bleiben, wie sie sind. Der Grund dafür ist einfach: Solange die Menschen mit der Lohnarbeit und der damit verbundenen existenziellen Erhaltung ihres Lebens beschäftigt sind, können sie auf keine für das System dumme Gedanken kommen. Ihr Bewusstsein ist gefesselt. Dieser Zustand minimiert die Gefahr möglicher Angriffe auf das System, die von einem Bewusstsein dafür abhängig sind, dass die Einrichtung der Verhältnisse nicht im Interesse aller Menschen ist. So wie es Mark Fisher in seinem letzten Seminar Postcapitalist Desire sagt, erfordert dieser Prozess der Bewusstwerdung kontinuierliche Arbeit, Anstrengung und Auseinandersetzung. Für all das braucht man Zeit. Hat man diese Zeit nicht, ist das Risiko für die Verhältnisse und Strukturen der Gesellschaft reduziert. Die Herrschaft über die Zeit der Menschen ermöglicht die Kontrolle über die Individuen.

Foucault hat den Zweck dieser Repression bereits für den von ihm untersuchten Zeitraum klar formuliert: Es geht darum, das Entstehen neuer “Feinde der Gesellschaft” zu verhindern. “Feinde der Gesellschaft” sind jene, die die Regeln der herrschenden Gesellschaftsform nicht akzeptieren wollen oder können und deshalb versuchen, aus diesen auszubrechen. Jeder, der von diesen Standards abweicht und dessen Abweichung nicht gewinnbringend rekapitalisiert werden kann, wird mit harten Sanktionen belegt. Da diese Sanktionen in der Regel aber selbst mit Kosten verbunden sind, wird versucht der Gefahr durch” Feinde der Gesellschaft” präventiv zuvorzukommen und die Kosten möglichst gering zu halten. Effektiv für diesen Zweck ist eben das Einschränken und Verschließen der Räume, in denen sich Gedanken entwickeln können, durch die Menschen zu “Feinden der Gesellschaft” werden. Diese Räume sind solche, in denen frei über die Verwendung der eigenen Zeit entscheiden werden kann. Hier können sich Gedanken formieren, deren Wirkung sich auf das gesamte Bewusstsein ausweitet und das Handeln nachhaltig verändert. Der präventive Charakter der Intervention bedeutet auch, dass sich nicht nur um vereinzelte Auffällige gekümmert wird, sondern um alle Menschen, deren Position innerhalb der Gesellschaft zu Risiken für die Stabilität der Herrschaft führen könnten, weil die Gesellschaft für sie nichts bereithält. Marx hat diese Menschen als Arbeiterklasse zusammengefasst. Auch wenn sich die Zusammensetzung dieser Klasse über die Jahre erheblich verändert hat, ist die Position und das Potenzial dieser Klasse noch dasselbe (1). Die Lohnarbeit und das Gefängnis sind zwei der Instrumente, mit denen die angesprochenen Freiräume kolonisiert werden. Sie sind Teil des Prozesses, die physiologische Basis für Subversion und damit auch gesellschaftlicher Veränderung zu zerstören. Beides hängt vom Bewusstsein über die Stellung im herrschenden System ab.

Kolonisierung der Freiräume in der sogenannten Freizeit

Auch wenn die Lohnarbeit für einen Löwenanteil der Menschen bereits nahe zu den gesamten Alltag einnimmt – also das Bewusstsein auch über die rein formale Arbeitszeit hinaus beschäftigt – wird ihnen nominell noch ein karges Kontingent an Freizeit zugestanden. Die Arbeitskraft muss schließlich reproduziert werden, damit man am nächsten Tag wieder gut arbeiten kann. Für das herrschende System lauern gerade in diesem Zeitkontingent erhebliche Gefahren. Die Menschen stehen hier nicht mehr unter den direkten Kontrollinstrumenten der Lohnarbeit. Feststeht allerdings, dass sie auch oder gerade während dieser Zeit nicht sich selbst überlassen werden dürfen. Vor dem Hintergrund dieses Wissens haben sich Techniken, Mechanismen und Methoden entwickelt, die das Bewusstsein der Menschen auch in ihrer sogenannten Freizeit fesseln und ihre Lebenszeit weiter reprimieren. Zwei Modi sind hierfür von besonderer Bedeutung.

Im ersten Modus wird das Prinzip der Lebenszeit als Tauschware auf die Spitze getrieben. Er basiert auf der ubiquitären gesellschaftlichen Erzählung, fortlaufend seine Arbeitsmarktkompetenzen erweitern zu müssen, um ja eine gute berufliche Zukunft zu haben. Auch dieses Narrativ bringt Fisher auf den Punkt: “All time is entrepreneurial time because we are the commodities, so that any time not selling ourselves is wasted time.” Angehalten wird man also dazu, den verbleibenden Rest seiner Zeit zu verkaufen, um ökonomisch möglichst gut bzw. besser als sonst dazustehen. Die Ausgeburten dieser Erzählung sind in jedem Lebensbereich zu finden: Sei es in der Schule, in der einem immer noch nahegelegt wird, gute Note zu produzieren, um hinterher auch den Beruf machen zu können, von dem man träumt, in der Universität, wo ein viele der Studierenden ihre Zeit in den Semesterferien mit Praktika füllen oder im späteren Berufsleben alles für die nächste Fortbildung gegeben wird, um den nächsten, lang ersehnten Sprung auf der Karriereleiter machen zu können. Jede Zeit, die auf diese Weise verbracht wird, trägt zur Stabilität der Verhältnisse bei und macht nichts anderes als die Bedingungen der Kapitalreproduktion zu optimieren. Einerseits durch die dabei eingeübte Unterwerfung unter ökonomischer Narrative und andererseits durch das Verfolgen des vorgezeichneten Weg ökonomischer Bildung sowie der Ausbildung damit korrespondierender Fähigkeiten. Verkauft man sämtliche Zeit, die man hat, gibt man sich bereitwillig der totalen Kontrolle durch die herrschenden Mächte hin.

Auch abseits dieser Aufforderung zur ökonomischen Selbstoptimierung hat das herrschende System Wege gefunden, die Zeit der Menschen jenseits des Arbeitsplatzes in Beschlag zu nehmen. Dieser zweite Modus verfährt grundverschieden. Während im ersten ein Imperativ des Aktivwerdens herrscht, zielt der zweite auf die Sedierung der Menschen ab. Erreicht wird das durch die Torpedierung des menschlichen Bewusstsein mit sämtlichem Schund, den die Kulturindustrie auskotzt. Nahezu durchgängig wird die Aufmerksamkeit durch irgendeines ihrer Produkte beansprucht – besonders intensiv aber dann, wenn die Lohnarbeitszeit vorbei ist. Mit ein bisschen Entspannung vorm Bildschirm will man sich dann für den nächsten Arbeitstag bereit machen. Das was auf den ersten Blick wie eine passive Aktivität wirkt, trägt dennoch auf doppelte Weise aktiv zur Reproduktion der Verhältnisse bei. Anders als es noch Guy Debord in seiner Gesellschaft des Spektakels geschrieben hat, ist man in seiner Freizeit nicht mehr nur Konsument. Durch das Tracken der Entscheidungen, die mit jedem Klick und mit jedem Tippen vor oder auf dem Bildschirm getroffen werden, werden neue Daten produziert, die der Verfeinerung der Algorithmen und damit der kybernetischen Herrschaft dienen. Mit diesem Feedback werden die Maschen der Macht immer enger geknüpft und die Kontrollmechanismen gestärkt. Dem Angebot der Kulturindustrie wird ermöglicht, immer zielgruppenspezifischer – sprich effektiver – zu werden. Die Produkte werden immer unterhaltsamer. Sitzt man davor, denkt man an nichts anderes mehr. Im Zustand dieser Dauerstimulation kann kein klarer Gedanke gefasst werden. Dass man unter diesen Bedingungen in unendliche Ferne zum Entwickeln des mehrfach angesprochenen Bewusstseins gerückt ist, liegt auf der Hand. Neben der Narkose des Gehirns und der Gedanken schrumpft ganz praktisch mit jeder Minute mehr, die vorm Bildschirm verbracht wird, zusätzlich das eigene Zeitkontingent. Der zunächst passiv wirkende Konsum von Youtube, Netflix und TikTok wird zum effektiven Instrument, die Herrschaft des Kapitals zu zementieren. (2)

Die Suche nach neuen Waffen und der minoritäre Modus, seine Zeit zu verbringen

An diesem Punkt stellt sich die Frage, was mit dieser Diagnose anzustellen ist: Ist mit den unterschiedlichen Modi der Zeitrepression jede Möglichkeit auf Veränderung verstellt? Sind die Prozesse gesellschaftlicher Bewusstwerdung über die Verhältnisse und die eigene Position darin verunmöglicht? Angesichts dessen, wie umfänglich die Menschen von ihrer Zeit enteignet sind, ist jede nicht düster ausfallende Antwort auf diese Fragen unglaubwürdig. Im Rahmen seiner Analyse der Kontrollgesellschaft schreibt Deleuze angesichts der neuen Herrschaftsinstrumente eben jener aber: “Weder zur Furcht noch zur Hoffnung besteht Grund, sondern nur dazu, neue Waffen zu suchen.” Auch wenn viele der von ihm beschriebenen Mechanismen und Instrumente erst in der heutigen Zeit ihre volle Blüte und ihre gesamtes bewusstseinsfesselndes Potenzial entfaltet haben, hat sich nichts an diesem Grundsatz geändert. Zum Aufgeben besteht kein Grund. Diese Suche nach neuen Waffen ist unter den gegenwärtigen Bedingungen aber kräftezehrender als je zuvor. Sie erfordert es, die Anstrengungen auf sich zu nehmen, sich gegen die majoritären Gesellschaftsstrukturen und -narrative zu stellen und Sanktionen in Kauf zu nehmen. Auf das Problem der Zeitrepression bezogen, bedeutet das folgendes: Mit aller Kraft muss versucht werden, sich gerade in seiner sogenannten Freizeit, den herrschenden Narrativen der ökonomischen Selbstoptimierung und den von Kapitalinteressen getriebenen Versuchungen des Internets und des Smartphones zu entziehen. Diese Zeit muss als die eigene begriffen und aktiv beansprucht werden. Es bedarf der Flucht vor den majoritären Strukturen der Gesellschaft, nur so kann mit neuen Möglichkeiten experimentiert werden, die wiederum zu neue Dinge und Umständen führen können. Jede Minute, die man abseits der gesellschaftlich diktierten Anforderungen verbringt, hält das Potenzial bereit, den Prozess der Bewusstwerdung voranzutreiben. In diesen Momenten kann sich die Wirkung der Erkenntnis entfalten, dass die Dinge, wie sie sind, nicht sein müssen und vor allem auch nicht, anders als einem fortlaufend erzählt wird, im eigenen oder kollektiven Interesse sind. Man stellt sich die Fragen, wie es überhaupt zu diesen verkommenen Zuständen gekommen ist und warum man das alles akzeptiert. All das sind Schritte auf der Suche nach neuen Waffen. Entgegen der drei Modi der Zeitrepression folgen diese Bemühungen einem minoritären Modus, seine Zeit zu verbringen. Ihm gilt es so viel Raum wie möglich einzuräumen. Mit mehr Zeit werde ich versuchen, ihn bald zusammen mit seinem Potenzial noch ausführlicher zu konzipieren.


(1) Gemeint ist hier nicht, dass es eine große Revolution geben wird, nach der der Kommunismus dann da und alles gut ist, sondern, dass überhaupt nur Menschen aus dieser Position heraus subversiv handeln können und das Potenzial gesellschaftlicher Veränderung hin zu einer menschlicheren Gesellschaft innehaben.

(2) Ein weiteres wichtiges Element dieses Modus ist die aus ihm resultierende Isolation der Menschen. Der direkte, spontane und aufmerksame Kontakt wird immer weniger. Die Konsequenzen dieser Entwicklung betrachte ich vielleicht ein andermal.

Tapferkeit in einer Welt voller Zumutungen

Es gibt Tage, an denen empfindet man das Leben selbst als einzige Zumutung. Auch wenn Absurdität, Sinnlosigkeit und Leid diesen Impuls immer als nachvollziehbar erscheinen lassen, steht doch fest: Nie ist es das Leben selbst, das die Zumutung ist, immer sind es die Zustände der Gesellschaft, die dieses Gefühl bedingen und das Leben unmenschlichen Konditionen unterwerfen. Die herrschenden Produktionsverhältnisse zusammen mit der damit verbundenen Verwertungslogik nötigen zu Entscheidungen, die nichts anderes als lebensfeindlich sind. Bei manchen der Entscheidungen drückt sich jener Charakter in den Optionen aus, zwischen denen man entscheiden muss: Verbrenne ich im Fegefeuer der Lohnarbeit oder nehme ich Arbeitslosigkeit und damit ein Leben in noch größerer Prekarität in Kauf? Nicht immer sind aber die Optionen selbst das Problem; nicht immer sind sie es, die lebensfeindlich sind. Es kann auch einzig die Tatsache sein, dass man gezwungen ist zwischen verschiedenen Optionen zu entscheiden. Das strikte Zeitregime – eines der zentralen Element der Verwertungslogik – nötigt einem immer wieder das Abwägen der Opportunitätskosten der eigenen Handlungen ab. Dazu folgende pointierten Zeilen aus Becketts Malone stirbt, die beide Seiten der Zumutungen einfangen: “Die Türen der Büros, der Warenhäuser, und die anderen Türen kotzen sie aus, jede ihr Kontingent. Die so der Freiheit überlassenen Gruppen bleiben einen Augenblick dicht gedrängt auf dem Trottoir oder der Gosse wie betäubt stehen und lösen sich dann auf, wobei jedes Wesen den ihm vorgezeichneten Weg einschlägt. [… ] Und ein jeder hat seine Gründe, wobei jeder sich von Zeit zu Zeit fragt, was sie wert sind und ob es die richtigen sind, um eher dahin zu eilen, wohin er eilt, als anderswohin, als nirgendwohin”. Angemessen und ausreichend Zeit für im Leben wichtige Dinge zu haben, lässt die Gegenwart nicht zu. Beim Treffen der Entscheidung, was man tut, wird immer etwas verloren: Verbringt man seine Zeit mit sich allein, um Dingen nachzugehen, die Ruhe erfordern oder sucht man Zerstreuung, Zuneigung oder Austausch in der Gesellschaft von Freunden? Geht man der einen Lieblingstätigkeit nach oder der anderen? Und wann bleibt überhaupt Zeit zum nichts tun? Sich jede dieser Fragen stellen zu müssen, ist eine blanke Zumutung – jede einzelne der Optionen ist von existenzieller Bedeutung und doch ist es unmöglich, ihnen jeweils den eigentlich notwendigen Raum einzuräumen. Die Liste der Zumutungen, denen das Leben ausgesetzt ist, ist endlos, genauso wie das Maß ihrer Intensität. Eben deshalb stellt sich die Frage, wie gehe ich daran nicht kaputt; wie begegne ich jenen Zumutungen?

Jemand, der sich mit den Zumutungen des Lebens auskannte, war Roberto Bolaño. Geboren in Chile, aufgewachsen in Mexiko, kurz vor Pinochets Putsch zurückgekehrt, um den Sozialismus Allendes zu unterstützen und nach Haftfreilassung schließlich sein restliches Leben in Spanien verbracht, hat er und seine ganze Generation immer wieder die Erfahrung brutal enttäuschter Hoffnung machen müssen. Auch wenn immer mit dieser Enttäuschung gerecht wurde, hat sie ihre Spuren hinterlassen. Der Mut und die Haltung seiner Generation wird von Bolaño in seinen Werken fortlaufend besungen. Ihr Engagement darf nicht vergessen werden. Gegen dieses Vergessen anzuschreiben, machte Bolaño sich zur Lebensaufgabe. Hiermit hat er dem Kampf seiner Generation gegen die politischen und gesellschaftlichen Zumutungen Lateinamerikas ein bleibendes Monument gesetzt.

Als lateinamerikanischer Schriftsteller musste er sich hierneben fortwährend auch mit den Zumutungen eines Leben in Prekarität auseinandersetzen. In Kauf genommen hat er jenes Leben eben, um das Schreiben nicht aufgeben zu müssen. Lange Zeit hat er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten – so wie viele seiner Freunde und Kollegen. Die Konfrontation mit Armut und Elend prägten ihn. Von wem sollte man den Umgang mit den Zumutungen des Lebens also eher lernen als von ihm?

Die Eigenschaft, die sich durch sein Werk zieht und immer wieder als essenziell herausgestellt wird – egal, ob in seinen Romane, Essays oder Reden -, ist die, der Tapferkeit. Also die Fähigkeit drohenden oder bereits konkreten Gefahren mit einer gewissen Unerschrockenheit zu begegnen; den Kampf gegen sie anzunehmen, ohne jede Garantie dafür, dass der Kampf gewonnen wird. Blickt man auf die Umstände seines Lebens erscheint das nur konsequent. Einige der Zumutung, die Bolaño geprägt haben, sind für uns heute nicht mehr nachvollziehbar, anderer dagegen sind es nur allzu sehr. Mit welchen Zumutung der einzelne konfrontiert ist, spielt in einer Welt voller Zumutungen nicht die entscheidende Rolle. Entscheidend ist, wie man ihnen begegnet und in diesem Sinne kann von Bolaño gelernt werden; von seiner Haltung dem Leben gegenüber. Der Haltung, die eben durch die Eigenschaft der Tapferkeit geprägt ist. In ihr drückt sich der Wille aus, nicht aufzugeben, den Umstände nicht einfach erliegen zu wollen, sondern jeder aussichtslosen Lage zum Trotz, sich Haltung und Handlung zu bewahren und so den Zuständen der Welt etwas entgegenzusetzen. Die Tapferkeit ist die Basis dafür, an der Hoffnungslosigkeit der Welt nicht zugrunde zu gehen.

Das Setzen auf Tapferkeit bleibt aber immer auch selbst eine Zumutung. Ändert sie doch nichts an den Umstände und hilft einem vielmehr nur beim Aushalten unmenschlicher Zustände. Sie kostet Kraft und bietet keine Garantien. Auch Bolaño hält die Notwendigkeit tapferen Verhaltens für bedauerlich. In seinen Ratschlägen zur Herstellung von Erzählungen schreibt er: “Ein Erzähler muss tapfer sein. Traurig das sagen zu müssen, aber es ist so.” Das einzige was Kraft gibt, ist in der Tapferkeit die Grundlage für die von Calvino beschworene zweite Weise unter der Hölle der Lebenden nicht zu leiden zu verstehen. Tapferkeit ist die Voraussetzung dafür, die Kraft aufzubringen, sich aufmerksam und beständig nach Dingen in jener Hölle umzuschauen, die nicht Hölle sind und diesen so gut es geht Bestand und Raum zu geben. Welche andere Option gibt es also, außer sich in Tapferkeit zu üben und zumindest diese Zumutung in Kauf zu nehmen?

Vom schmalen Grat zwischen neoliberaler Selbstoptimierung und dem Versuch im Sog der Gegenwart nicht untergehen zu wollen

Adornos Utopie vom einfach auf dem Wasser Liegen, nichts zu tun und an nichts denken zu müssen, ist eine solche in Reinform. Sie hilft dabei Dinge in der Gegenwart zu identifizieren, die in der Welt keinen Platz haben sollten – sprich alles, was von diesem Zustand abhält. Die Idee der Produktivität gehört selbstredend dazu, so wie es von Adorno auch beschrieben wird. Doch in der Hölle der Gegenwart ist die Zeit noch nicht gekommen, jeden Produktivitätsgedanken von sich zu weisen. Entscheidend ist aber, sich seiner unterschiedlichen Dimensionen bewusst zu sein.

Die Produktivität schwankt zwischen zwei Polen: Auf der eine Seite steht die neoliberale Auslegung. Dort meint Produktivität möglichst viel seiner Zeit damit zu verbringen, etwas – in der Regel sich selbst – bestmöglich zu verkaufen und fortwährend an den eigenen Verkaufsargumenten zu feilen. Durch die damit vorangetriebene Kommodifizierung sämtlichen Lebens ist dieser Pol der Produktivität nichts anders als schädlich für das gesellschaftliche Zusammenleben – jeder ist mit sich beschäftigt und steigert sich freiwillig in den kapitalistischen Konkurrenzkampf hinein. Der diesen Pol ausmachende Imperativ wurde von Mark Fisher in seinem kurzen Text Suffering with a Smile auf folgende Formel gebracht: “All time is entrepreneurial time because we are the commodities, so that any time not spent selling ourselves ist wasted time”.

Versteht man Produktivität aber als Basis für Kreativität sowie Antrieb sich gegen die Umstände der verkommenen Gesellschaft zu stellen, als Hilfsmittel bei der Suche nach Wegen im Sog der Gegenwart nicht unterzugehen, verändert sich die Sichtweise – dann befindet man sich am entgegengesetzten Pol ihrer Bedeutung. In diesem Rahmen meint sie die Fähigkeit, sich Tätigkeiten zu widmen, die mit Herausforderungen oder Widerständen verbunden sind und gerade deshalb das eigene Denken potenzieren und immer wieder neu befruchten können. Produktiv ist man dann, wenn man sich diesen Widerständen aussetzt und versucht sie zu überwinden; ihnen nicht mit einer der heute ubiquitär vorhandenen Ablenkungen ausweicht – und das alles ohne einem Profitmotiv zu folgen.

Die Produktivität, wie sie auf dieser Seite verstanden wird, ist genauso von der Allgegenwart moderner Unterhaltung bedroht wie es auch von Apologeten neoliberaler Selbstoptimierung für den gegenüberliegenden Pol gepredigt wird. Die Konsequenzen davon, sich kopflos der damit verbundenen, nicht abreißenden Stimulation hinzugeben, werden von Fisher mit dem Begriff der depressive hedonia gefasst. Hierbei handelt es sich um einen Zustand, nicht anders zu können als dem Lustprinzip zu folgen, dabei stetig das Gefühl zu haben, irgendetwas fehle im eigenen Leben und nicht zur Einsicht zu kommen, dass diese Leerstelle nur jenseits des Lustprinzips gefunden werden kann. So wie es Matt Colquhoun in seiner Einleitung zu Fishers letzter Vorlesungsreihe Postcapitalist Desire schreibt, war Konsum, der einen selbst (politisch) handlungsunfähig macht – egal ob durch exzessiven Konsum von YouTube-Videos, Gras oder sonstigem – Fisher zufolge ein manifestes Verbrechen. Ursprüngliches Ziel seiner Kritik waren dabei die Hippies unter deren Dauerkiffen der Erfolg der Counter-Culture gelitten hat. Die Grundlage für diese Kritik kann mit einer Stelle aus Deleuze und Guattaris Tausend Plateaus nachvollzogen werden: “Statt einen organlosen Körper zu erzeugen, der voll oder reich genug für den Durchlaß von Intensitäten ist, schaffen Drogen einen leeren oder gläsernen Körper, einen von Krebs befallenen Körper: die kausale Linie, die kreative Linie oder Fluchtlinie verwandelt sich sofort in eine Todeslinie, eine Linie der Vernichtung” (388). Angesichts dieser Kritik muss das heute im Trend liegende Sich-Betäuben mit TikTok, Youtube oder Instagram als ein noch viel größeres Verbrechen angesehen werden. Die Narkose ist schließlich um einiges nachhaltiger, entgrenzter und vor allem auf keine Weise mehr subversiv zu verklären. Hiermit macht man sich nur noch dumm und steigert seine reflexive Impotenz- den Zustand, dem eigenen so wahrgenommenen unveränderbaren Schicksal zu erliegen.

Die beiden Pole illustrieren die Ambivalenz des Produktivitätsbegriffs. In welche Richtung er kippt, hängt vom zugrundeliegenden Begehren ab: Will man sich zur besseren und effizienteren Ware für das Kapital machen, in der Hoffnung materiell dafür belohnt zu werden oder unternimmt man den Versuch, sich in bestimmten Situationen den Fängen kapitalistischer, kybernetischer Herrschaft zu entziehen und den gesellschaftliche Reflexionsprozess zu stärken? Ist der eigene Anspruch, die einem noch zugestandene Zeit als die eigene nutzen zu wollen oder gibt man diese auch wohlwollend dem Kapital preis? Marcello Tari schreibt der Kapitalismus sei seit längerer Zeit auf der Suche nach einem Algorithmus, der jede revolutionäre Erfahrung verhindern will. Mit dem Sog moderner Unterhaltungsmedien, unendlicher Produktvielfalt und 40 Stunden-Wochen kann festgehalten werden, dass er bei dieser Suche durchaus nicht mehr im Anfangsstadium ist. Trägt man dazu bei, diesen Algorithmus weiter zu nähren oder durchkreuzt man seine Berechnungen?

All diese Ausführungen sollen nicht zur Annahme führen, man könne dem Kapital einfach entkommen, wenn man sich nur genügend anstrengt und seine Zeit subversiv nutzt. Offenkundig ist das nicht möglich – was jedoch möglich ist, ist ein Bewusstsein für die Widerhaken des Kapitals zu entwickeln, die an einem selbst im eigenen Alltag ziehen und zerren. Deren Ursprüngen und Auswirkungen kann nachgegangen und versucht werden, Strategien zu entwerfen, wie man sich von einzelnen lösen kann. Für diese Arbeit braucht es Zeit und Reflexion. Nur wenn man sich selbst dazu antreibt, diesen Prozess in Gang zu setzen und zu halten, kann überhaupt etwas passieren. Angesichts der mehr als fortgeschrittenen Fähigkeit kybernetischer Herrschaft den Geist zu kontrollieren, können selbst gesetzte Produktivitätsziele dabei helfen, sich häufiger als sonst dem konstanten Unterhaltungsfluss und anderen konditionierenden Herrschaftsinstrumenten zu entziehen. Sie haben das Potenzial als Anker gegen die Bedeutungslosigkeit zu fungieren. Hinter jedem der gesetzten Ziele lauert aber stets die Gefahr des regressiven Umschlagens – sprich den eigentlich verfolgten Anspruch zu verlieren und so doch wieder zum Instrument kybernetischer Selbstkontrolle zu werden. In einer Welt in der alles darauf ausgerichtet ist, die Aufmerksamkeit durch stabile Reizüberflutung zu bannen, ist das wachsame Eingehen dieser Gefahr aber das Risiko wert.

Über Jonathan Franzens Crossroads und das Lesen herausfordernder Literatur

Das Gefühl mit dem ich Crossroads von Jonathan Franzen abgeschlossen habe, hat mir eindrücklich vor Augen geführt, was Literatur für mich leisten sollte, wann sie am kraftvollsten ist und was mich am lesen hält. Nicht weil ich so begeistert gewesen bin, sondern weil Franzen an vielen dieser Punkte scheitert. Das zu ende Lesen war eine Qual, doch wenn man sich schon über 500 der 800 Seiten gequält hat, dann hört man auch nicht mehr auf. Vielleicht verwundert es, das über Franzen zu schreiben, so ist er eigentlich dafür bekannt, eingängig und gut lesbar zu schreiben, immer mit einem bestimmten Witz und doch gesellschaftlich engagiert.

Mit Franzens leichter Lesbarkeit ist aber bereits das erste Problem benannt. Das Lesen stellt auf keiner Ebene eine Herausforderung dar. Weder sprachlich, noch von der Komposition her und auch nicht vom Inhalt. All das soll nicht heißen, dass sein Roman und die darin beschriebene dysfunktionale Familie zusammen mit den mit Sicherheit gut getroffenen Charakteren nicht mit unter tragisch mit anzusehen waren und das Lesen zu keiner Zeit Spaß gemacht hat. Gemeint ist, dass alles auf dem Silbertablett serviert wird, es braucht keine Arbeit sich mit dem Inhalt und der Sprache auseinanderzusetzen, an keiner Stelle wird man gereizt – alles liegt im Reich des Bekannten. Es braucht keine Übung im Lesen, die Belohnungsschwelle wird möglichst gering gehalten.

Status- und Vertragsautoren

Eben das ist der Ansatz mit dem Franzen überhaupt schreibt. Deutlich wird das in seiner Gegenüberstellung zweier Arten der Beziehung zwischen Autor und Publikum. Auf der einen Seite steht ein von ihm so bezeichnetes Vertragsverhältnis. Beide Seiten willigen in einen Unterhaltungsvertrag ein – das Publikum will unterhalten werden, der Autor will unterhalten. Auf der anderen Seite stehen die Autoren, die Franzen zufolge nichts auf ihr Publikum geben, sondern vielmehr des Status wegen schreiben. Das Ergebnis ihrer Arbeit sind komplizierte Bücher, die keinen Spaß machen zu lesen, so Franzen. Sie stellen Herausforderungen und wollen nicht unterhalten. Für die damit verbundene Komplexität und intellektuelle Leistung werden sie von einer kleinen Leserschaft gefeiert, so ergibt sich ihr Status.

Franzen hat nichts für Status-Autoren über. Ihn treibt die Angst, dass der Literaturbetrieb durch die Konkurrenz mit anderen Unterhaltungszweigen weiter zugrunde geht, wenn die Leser allzu sehr überfordert werden. Ihm geht es deshalb darum, sein Publikum zu unterhalten – sprich ihnen beim Lesen nicht zu viel Anstrengung zu zumuten. Komplexität und Unterhalten schließen sich ihm zufolge aus: “If somebody is thinking of investing fifteen or twenty hours in reading a book of mine – fifteen or twenty hours that could be spent at the movies, or online, or in an extreme-sports environment- the last thing I want to do is punish them with needless difficulty”.

Bücher, die diesem Ansatz folgen, verlieren jegliches Potenzial, das der Literatur eigentlich innewohnt. Nur wenn Bücher an Orte und zu Gedanken führen, die einem bislang unbekannt waren, haben sie die Kraft, das eigene Selbst durch den Leseprozesses und die darin stattfindende Erfahrung zu transformieren. Literatur bietet die Möglichkeit mit der Wirklichkeit zu experimentieren und neue Fluchtlinien zu ziehen – wenn man sich aber am kulturindustriell geprägten Unterhaltungsanspruch orientiert und sogar mit den darauf ausgelegten Produkten in direkte Konkurrenz treten will, dann geht dieses Potenzial verloren. Dieses Potenzial lebt von den gestellten Herausforderungen, egal ob durch Sprache, Inhalt oder Struktur. Herausforderungen sind aber immer mit Anstrengung verbunden. Das Zulassen und Annehmen dieser Anstrengung ist im goldenen Zeitalter der Unterhaltung allerdings nicht mehr vorgesehen. Die Gründe und Konsequenzen sind vielschichtig mit dem Modus gegenwärtiger Herrschaft verbunden. Zunächst aber erstmal weiter zu Franzen:

Franzens Vorwurf den Status-Autoren und deren Publikum gegenüber, eine kleine Elite zu sein, die nichts mit der gemeinen Gesellschaft zu tun haben will und alle, die ihr Werk nicht verstehen als einfach zu dumm abtut, kann mit der Frage entgegnet werden, ob nicht seine eigene Haltung viel elitärer, paternalistischer und viel gefährlicher ist: Wie kommt er dazu allen Menschen, bis auf der eben angesprochenen kleinen Elite, den Spaß an bzw. den Willen sich Herausforderungen zu stellen abzusprechen, zu proklamieren, dass das gar nicht gewollt sei? Die Konsequenz davon ist eigentlich, dass er selbst es vielen Menschen gar nicht zutraut sich mit komplexen Texten auseinander zu setzen. Und gerade das ist der falsche und paternalistische Ton, der bei ihm mitschwingt. Dem Publikum ist – herrschaftsinduzierter Deformation zu trotz – immer noch mehr zu zutrauen als man denkt, wichtig ist es vor allem die Angst vor diesen Texten abzubauen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es nicht darum geht, jede Anspielung, jede sprachliche Besonderheit und auch nicht jeden erzählerischen Kniff zu verstehen. Es gilt Stellen zu finden mit denen man etwas anfangen kann, die einen dorthin bringen, wo man noch nicht war, die einen dazu veranlassen, jemand anderes zu werden. Diese Kraft und dieses Potenzial von Literatur sollte nicht durch so eine paternalistische Haltung wie die von Franzen beschnitten werden – gerade weil der Löwenanteil der heute produzierten Unterhaltungsgüter darauf ausgelegt ist, möglichst wenig nachzudenken. Der über diesen Weg produzierten Einverständnis der Menschen mit den unsäglichen Zuständen der Welt muss etwas entgegengesetzt werden. Literatur hat die Kraft dazu – aber nur wenn sie nicht bereitwillig im kulturindustriellen Unterhaltungssumpf versunken lassen wird. Neue Fluchtlinien und neue Verbindung müssen bekräftigt und gefördert, nicht als zu anstrengend verschämt werden. Komplexe Texte und Bücher sind keine Zumutung mit der das Publikum vergrämt werden soll, sondern eine Einladung dazu die Welt, Gesellschaft und Herrschaft in ihrer Kontingenz zu erkennen und herauszufordern. So gesehen wird Lesen zur ethischen und politischen Tätigkeit.

Franzen vermeidet in Crossroads nicht nur auf der strukturellen und sprachlichen Ebene jede Herausforderung, auch sein inhaltliches Hauptthema reiht sich in diesen Ansatz ein. Jeder der Charaktere scheitert am Anspruch ein guter Mensch sein zu wollen. Die Moral ist das tragende Motiv der Erzählung. Auch wenn versucht wird, die Komplexität der Moral durch unterschiedliche Perspektiven darzulegen, wird sie und die damit stetig verbundene urteilende Haltung nicht an sich in Frage gestellt, sondern reproduziert. Mit dem Scheitern am Wunsch ein guter Mensch sein zu wollen, passiert nichts anderes, als dass Altbekanntes neu aufgewärmt wird. Der für Franzen charakteristische Realismus ist transformativ impotent.

All diese Punkte laufen darauf hinaus, dass die Franzens Unterscheidung zwischen Contract- und Status-Autoren für seine Herangehensweise zwar passende Punkte formuliert, doch der darin angelegte Vorwurf den Status-Autoren gegenüber die Unterscheidung politisch unbrauchbar macht.

Wurzelbaum und Rhizom

Die Unterscheidung, die mich und mein Lesen maßgeblich geprägt und verändert hat, hängt an den von Deleuze und Guattari in ihrer Vorrede zu den Tausend Plateaus entworfenen Modelle des Wurzelbaums und des Rhizoms. Während der Wurzelbaum immer an einen Stamm, an etwas Bekanntes geknüpft ist, sind die Verwurzelungen des Rhizoms nicht nachvollziehbar, haben unendliche Eingänge und Verzweigungen und können so Neues schaffen.

Bücher, die im Baummodell geschrieben sind, sind stets nur Repräsentation und Kopie des Bestehenden, alles wird auf einen bekannten Stamm zurückgeführt. Sie knüpfen an etablierte Denksysteme an und halten diese in ihrer Einheit aufrecht. Deleuze und Guattari schreiben, das Modell des Wurzelbaums hat immer den Staatsapparat zum Vorbild, der auf eine eben solche Einheit angewiesen ist, die mit hierarchischen und signifikanten Denksystemen aufrechterhalten und durch Generäle, Gesetze, Chefs und Priester gesichert wird. Franzen ist mit seinen Crossroads sowohl auf der formalen Buchebene als auch der gesellschaftlichen Ebene genau in dieses Modell einzuordnen. Seine Deklination der Moral und die Haltung als Vertragsautor, seinen Lesern möglichst wenig zumuten zu wollen, sind hier ausschlaggebend.

Entgegengesetzt zum Baummodell können rhizomatische Bücher immer wieder neue Verbindungen eingehen und knüpfen, je nachdem auf was sie treffen. Die Verbindung zu ihrem Außen – demjenigen, der es in der Hand hält und liest – ist essenziell. Die Eigenschaften dieser Bücher wurden in den vorherigen Absätzen bereits immer wieder benannt. Zur Verdeutlichung hier die entscheidende Stelle aus Deleuzes und Guattaris Rhizom (S. 40 f.):

“Das Buch ist kein Bild der Welt und noch viel weniger Signifikant. Es ist nicht schöne organische Totalität, auch nicht mehr Einheit des Sinns. Michel Foucault antwortet auf die Frage, was für ihn ein Buch sei: eine Werkzeugkiste. Und Proust, dessen Werk voller Bedeutungen stecken soll, meinte, daß sein Buch wie eine Brille sei: probiert, ob sie euch paßt; ob ihr mit ihr etwas sehen könnt, was euch sonst entgangen wäre; wenn nicht, dann laßt mein Buch liegen und sucht andere, mit denen es besser geht. Findet die Stellen in einem Buch mit denen ihr etwas anfangen könnt. Wir lesen und schreiben nicht mehr in der herkömmlichen Weise. Es gibt keinen Tod des Buches, sondern eine neue Art zu lesen. In einem Buch gibt’s nichts zu verstehen, aber viel, dessen man sich bedienen kann. Nichts zu interpretieren und zu bedeuten, aber viel womit man experimentieren kann. Ein Buch muss mit etwas anderem “Maschine machen”, es muß ein kleines Werkzeug für ein Außen sein. Keine Repräsentation der Welt, auch keine Welt als Bedeutungsstruktur. Das Buch ist kein Wurzelbaum, sondern Teil eines Rhizoms, Plateau eines Rhizoms für den Leser, zu dem es paßt. Die Kombinationen, Permutationen und Gebrauchsweisen sind dem Buch nie inhärent, sondern hängen von seinen Verbindungen mit diesem oder jenem Außen ab. Ja, nehmt was ihr wollt.”

Versteht man Literatur sowie das Lesen und das Schreiben von Büchern auf diese Weise, dann ergibt sich eben die Möglichkeit, die Welt, wie sie ist, in ihre Kontingenz herauszufordern. Das Buch wird zum “Kriegsmaschinenrhizom gegen Staatsbaum”. Die durch die eigene Lektüre entstehenden neuen Verbindungen und das Verfolgen gezogener Fluchtlinien sind immer mit Anstrengung verbunden, schließlich provozieren sie den Bruch mit bekannten und eingeübten Denkmustern. Sich diesen Herausforderungen anzunehmen und die Grenzen des eigenen Denkens innerhalb dieses Prozesses zu verschieben, hat sich für mich zur grundlegenden Lesemotivation geformt. Das Gefühl, das Ben Marcus gegenüber Thomas Bernhards Korrektur beschreibt, bringt diese Art der Lektüre auf den Punkt: “Exhausting? Hell yes. I hope I never recover.”

Ein Knacks

Jeder Tag, der ohne eigene, kritische Gedanken verzieht, steigert die Angst, die Fähigkeit zur kritischen Reflexion selbst Stück für Stück zu verlieren und im Sumpf der intellektuellen Verödung zu versinken. Treibend für dieses Gefühl ist die Einsicht, dass es so, wie es im Studium war, nicht mehr sein wird. In seinem gleichnamigen Essay wird eine solche Situation von Fitzgerald als Knacks bezeichnet: “Es gibt […] eine Art von Schlägen, die von innen kommt und die man nicht spürt bis es zu spät ist, etwas dagegen zu tun, bis einem endgültig klar wird, daß man als Mensch in dieser oder jener Hinsicht nie wieder soviel taugt wie früher”. Begonnen mit dem Abschluss vertieften sich innerhalb des letzten Jahres die Furchen und Risse des beschriebenen, sich jetzt immer mehr aufdrängenden Gefühls. Der Knacks entfaltet seine Wirkung. An unproduktiven Tagen hallt Fitzgeralds Eröffnungssatz in der Leere des eigenen Kopfes wider: “Im Grund ist alles Leben ein Prozess des Niedergangs”.

Das Starten dieses Blogprojektes war eigentlich darauf ausgelegt, diesem Gefühl entgegenzuwirken. Sich zu beweisen, dass auch neben der Lohnarbeit und nach dem Studium eine sich fortwährend weiterentwickelnde kritische Haltung kultiviert werden kann, man sich nicht mit der Lage der Gesellschaft zufrieden gibt und Gedanken formuliert, die das ausdrücken. Vor allem das Schreiben zusammenhängender Texten, wollte ich nicht aufgeben. Beim Erhalt sollte mir der Blog helfen.

Während des Schreibens ist aber häufig das Gefühl am präsentesten, dass alles was ich hier fabriziere nicht über den Status einfacher Reproduktion hinauskommt, alles nur an der Oberfläche kratzt, nichts Interessantes entsteht und der Stil außerdem dürftig ist. Die wenigen Stellen, die Potential hätten, bleiben in der Regel zu wenig ausformuliert. Die Reflexionskette bricht zu schnell ab.

Zwar ist der Knacks ein von innen herrührendes Gefühl, doch muss man einschieben, dass äußere Umstände noch zum Anfachen beitragen können. Für mich ist in diesem Sinne vorrangig die an anderer Stelle bereits erläuterte Zeitknappheit entscheidend. Die Zeit neue Eindrücke machen zu können – sei es durch das Lesen theoretischer Texte, den Besuch von Kulturveranstaltungen oder die Zerstreuung, die man in Kneipen sowie an Kiosken findet – ist durch gesellschaftliche Zwänge auf ein karges Residuum zusammengeschrumpft. Ganz zu schweigen von den Räumen die es bräuchte, um aus gesammelten Eindrücken etwas Neues machen zu können. Das Ergebnis ist ein Erfahrungsschwund der symptomatisch für das Leben in der modernen Gesellschaft ist. Auf persönlicher Ebene werden hiermit die Furchen des Knackes vertieft.

In lichteren Momenten ist das Gefühl, hier doch etwas Sinnvolles zu schaffen und nicht alles verloren zu haben, zwar vorhanden, doch ringt es dann noch immer mit der Frage nach dem hier verfolgten Anspruch. Das ist eine weitere Facette, die die ambivalenten Haltung gegenüber des Schreibens prägt. Einreden tue ich mir zumindest, es gehe mir um mehr als mich und mein Gewissen beruhigen zu wollen, mich durch das “richtige” Verhalten – die Dinge eben nicht unhinterfragt hinzunehmen – der eigenen Kritik zu entziehen: “An mir hat’s nicht gelegen”. Jeder, der auch nur ein Basisverständnis von Dialektik hat, weiß um die Unmöglichkeit dieses Anspruches und hütet sich davor – zumal aus einer solchen Haltung schlicht nichts Produktives hervorgehen kann. In diesem Sinne geht es mir offensichtlich um kein Verlangen nach urteilender, moralischer Erhabenheit. Immer wieder habe ich geschrieben, ich verfolge einen affektiven Ansatz des Schreibens: Ich möchte den Dingen nachspüren, die mich bewegen, die etwas mit mir anstellen. Ich möchte die Wege verfolgen, die sich aus diesen neuen Verbindungen ergeben. Dieser Ansatz hilft mir ein besseres Verständnis für die erdrückenden Zustände der Gesellschaft zu schaffen und damit zu einem besseren Umgang mit ihnen zu kommen. Der politische Charakter meines Ansatzes liegt darin, zu hoffen über diesen Weg auch bei anderen etwas auszulösen und etwas zum Verständnis gesellschaftlicher Herrschaftsstrukturen beizutragen. Gerade an dieser Stelle nisten sich nun aber die durch den Knacks bedingten Zweifel ein. Wenn alles nur an der Oberfläche kratzt, wie soll das zu irgendwas beitragen?

Die Frage, die für mich im Raum steht, wird von Deleuze in seiner Auseinandersetzung mit Fitzgerald gestellt: “Wenn es an der Oberfläche einen Knacks gibt, wie verhindern, dass das Leben dahinter, das dem zugrundeliegt, zu einem zerstörerischen Unternehmen wird, wo es im Grund sowieso dazu wird?” Seine Antwort zielt darauf ab, die durch den Knacks ausgelöste Zerstörungslinie in eine Fluchtlinie umzuwandeln. Für Deleuze hat der Knacks produktiven Charakter. Ihm zufolge sollte er als Ereignis verstanden werden, das den Weg zu etwas Neuem ebnet und überhaupt erst ermöglicht. Merkmal der Knacks-induzierten Situationen ist, dass die gewohnten Denkmuster und -strukturen nicht mehr funktionieren. Die bekannten Verhaltensweisen sind nicht in der Lage, auf die sich neu stellenden Probleme Antworten zu finden. Die daraus hervorgehende Orientierungslosigkeit ist gewaltvoll und brutal, doch zwingt sie zum Denken: Die Grenzen des bisherigen Denkens müssen überschritten, mit neuen Ideen experimentiert werden. Es braucht den Bruch – das Loslösen von der Vergangenheit und die Unwissenheit über die Zukunft. Das damit verbundene Anstrengungsmaß wird von Fitzgerald treffend beschrieben: “Als wenn man riesige Schränke hin und her schiebt.”

Für mich ergibt sich ein Weg, der klar und unbekannt zugleich ist. Das aus der Vergangenheit herrührende Gefühl hier nichts Interessantes zu schaffen, weil die theoretische und wissenschaftliche Tiefe fehlt, muss durch neue Ideen und Experimente überkommen werden. Vielleicht sind die zuletzt hier hochgeladenen Artikel bereits Teil dieses Prozesses? Die persönliche Erfahrung stärker zu fokussieren und die Kritik der Umstände daran anzuschließen. Welche anderen Wege ich einschlagen kann, wird sich zeigen. Feststeht, dass ich mich dabei mehr in der Flucht als der Zerstörung üben sollte.

Selbstvergewisserung

In welchem Verhältnis steht die auf diesen Seiten entfaltete Kritik der gesellschaftlichen Umstände zur Praxis des Schreibens über diese Umstände? Diese Frage stellt sich insbesondere aufgrund der allgemeinen Schlagrichtung der Kritik. Das Hauptargument ist, dass das System in dem wir leben, darauf ausgelegt ist, möglichst wenig Raum zu kritischen Entfaltung zuzulassen, um das Risiko gesellschaftlicher Transformation zu minimieren. Dafür hat es eine Vielfalt an Kontrollmechanismen entwickelt, die wesentliches Interesse der hier angestellten Überlegungen sind. Immer wieder stelle ich dabei die Effektivität dieser Instrumente heraus. Vor diesem Hintergrund kann man sich zurecht fragen, ob das nicht alles auf das Festschreiben der eigenen Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit hinausläuft. Könnte nicht eine der Schlussfolgerungen sein, das System ist übermächtig und es ergibt gar keinen Sinn überhaupt zu versuchen sich dagegen aufzulehnen? – Jedes Engagement und jeder Widerstand wird hinterher schließlich doch wieder integriert und die Herrschaftsstrukturen damit gestärkt.

Was ist also die Basis der Kritik? Wieso wird sie betreiben und welche Rolle spielt die Effektivität der vorherrschenden Kontrollmacht? Banal mag erscheinen, wenn zunächst betont werden soll, dass die Effektivität und Effizienz der Kontrollmechanismen keine Entschuldigung dafür ist, die Kritik sein zu lassen. Diese Reaktion entspräche der Resignation. Sie ist das angestrebte Produkt der Herrschaftsinstrumente, da von ihr aus keine Gefahr ausgeht. Erst einmal hergestellt, kann sie effektiv verwaltet und so sichergegangen werden, dass aus ihr nichts mehr entsteht. Dementsprechend kann die angemessene Reaktion nur darin bestehen, die Kritikbemühungen zu intensivieren und sich gegen den allgemeinen Zeitgeist zu stellen. Um dieses Bestreben zu verfolgen, ist es notwendig, die Räume, die innerhalb des engmaschigen Kontrollnetzes noch gelassen werden, auszunutzen. Diese Räume der Kritik müssen bevölkert und über Wege der Affektion vergrößert werden. Um das zu leisten, ist der Anspruch der auf dieser Seite formulierten Kritik immer über das formal Bezeichnete hinausweisen zu wollen. Mir geht es um mehr als einfach nur zu zeigen, wie düster es aussieht und wie eng die Grenzen der eigenen Handlungsfähigkeit sind. Als Leitsatz für die Kritik gilt vielmehr eine der zentralen Reflexionen die Deleuze in seinem Postskriptum über Kontrollgesellschaften angesichts der Flexibilisierung der Kontrollmechanismen anstellte: “Weder zur Furcht noch zu Hoffnung besteht Grund, sondern nur zur Suche nach neuen Waffen.” Mit dem Schreiben auf diese Seite möchte ich zu dieser Suche beitragen. Das Aufarbeiten gegenwärtiger Kontrollformen ist in diesem Zusammenhang immanenter Teil der Suche – nur in der Auseinandersetzung mit dem Kritikgegenstand selbst kann überhaupt versucht werden, wirksame Mittel gegen ihn zu finden. Über den formalen Inhalt hinaus weist die Kritik, indem mit ihrem Formulieren meine Haltung veräußert wird, mit den Umständen der gegenwärtigen Gesellschaft nicht einverstanden sowie von ihrer Veränderbarkeit überzeugt zu sein und zu hoffen hiermit andere in ihrem Werden zu beeinflussen. Unterstützt werden sollen so die Intensität der Auseinandersetzung, der Prozess der Bewusstseinsbildung und das Herausbilden neuer Verbindungen. Denn mit Deleuze gesprochen sind es eben diese Verbindungen, die die Kraft haben, die Welt, wie sie ist, zu verändern. Sie haben das Potenzial vorhandene Denkmuster und Handlungsweisen zu sprengen und auf den Wegen zu neuen, noch unbekannten Lebensformen Orientierung zu geben.

Wenn ich hier zuletzt über eine sich im Zusammenhang mit der kritischen Auseinandersetzung immer wieder einstellende Frustration geschrieben habe, dann sollte vor dem Hintergrund des so eben beschriebenen Ansatzes auch noch einmal auf die Basis dieser Frustration eingegangen werden. Der Frust um den es hier geht, rührt nicht vom Gefühl her, sich von der eigenen Ohnmacht erschlagen zu fühlen. Vielmehr stellt er sich beim Versuch ein, einen Umgang mit dieser Ohnmacht finden und sie in ihrer Absolutheit nicht akzeptieren zu wollen. Der Frust ist so gesehen das Ergebnis der Konfrontation der oben beschriebenen Haltung mit ihrem Kritikgegenstand – den Kontrollmechanismen der gegenwärtigen Gesellschaft. Er entsteht aus dem Willen diesen Kontrollmechanismen nicht vollends nachgeben zu wollen, sich gegen ihr Wirken zu stellen und dabei aufgrund ihrer Effektivität aber nur mühselig voranzukommen. Es handelt sich bei ihm um Reaktion auf die Anstrengung, die diese Auseinandersetzung kostet. Um diese Anstrengung zu illustrieren kann auf die Schlusspassage Italo Calvinos Unsichtbarer Städte zurückgegriffen werden. Dort heißt es: “Die Hölle der Lebenden ist nicht etwas, das erst noch kommen wird. Wenn es eine gibt, ist es die, die schon da ist, die Hölle, in der wir jeden Tag leben, die wir durch unser Zusammensein bilden. Es gibt zwei Arten, nicht unter ihr zu leiden. Die erste fällt vielen leicht: die Hölle zu akzeptieren und so sehr Teil von ihr zu werden, daß man sie nicht mehr sieht. Die zweite ist riskant und verlangt ständige Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft: zu suchen und erkennen zu lernen, wer und was inmitten der Hölle nicht Hölle ist, und ihm Dauer und Raum zu geben.” Begreift man das Aufrechterhalten einer kritischen Haltung als Teil der zweiten Art sich mit dem Leben in der Hölle auseinanderzusetzen, dann braucht es nach dieser mit Sicherheit etwas pathetischen Umschreibung des Gesellschaftszustandes keine Erklärung mehr, warum dieses Bemühen kräftezehrend ist.

Wichtig ist, dass der Frust nicht zur Resignation wird und man aufgibt. Um das zu verhindern sollte man sich immer wieder klar machen, dass auch langsame Bewegungen, die kritische Haltung aufrecht erhalten – gerade wenn sie beständig sind.

Zusammengefasst werden können diese Zeilen der Selbstvergewisserung damit, dass das hier vorangetriebene Projekt mein Versuch ist, Adornos Abschlussreflexion aus seiner Erziehung zur Mündigkeit nachzukommen: “Wer ändern will, kann es wahrscheinlich überhaupt nur, wenn er diese Ohnmacht [der Versuche, die Welt zu verändern] selber und seine eigene Ohnmacht zu einem Moment dessen macht, was er denkt und vielleicht auch was er tut.”